Samstag, 15. Oktober 2011

Ich bekomme nicht einen vernünftigen Satz zu stande. Nicht einen einzigen.


„Sag mir wann du die Liebe auf der anderen Straßenseite siehst, wann du mit ihr an der Ecke zusammen stößt.“


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Und wenn mich dann dieser verstohlene Blick von der Seite trifft, wenn ich gerade das Mehl aus meinen Wimpern streiche, dann ist es ein bisschen wärmer als sonst. Das ist wie damals, als mein Papa mir die Steinchen aus den offenen Knien geküsst hat, da ging die Sonne neu auf. Das sind doch keine großen Momente die man in ein Album kleben kann. Das ist wenn meine Mama mir heimlich das Buch kauft, von dem ich andauernd spreche und die Lindt-Cocos-Schokolade die im Briefkasten liegt, weil jemand an mich denkt. Wenn ich einen kleinen Notizzettel an einen Spiegel klebe, weil jedes Wort zuviel wäre und es Käsespätzle gibt, nach fünf Tagen Dosenfras, dann winkt sie mir von drüben zu. Dann steht sie dort an der Ampel und ich sehe sie an und lächle nur. Sie taucht dort immer wieder auf. Und immer dann, wenn eigentlich nichts Großes passiert. Wenn mein Papa mir zum sechsten Mal „Post für den Tiger“ vorliest obwohl er schon beim zweiten Mal die Augen verdreht und wenn ich heimlich jeden Buchstabe im Referat meines Bruders an den richtigen Platz setze damit keiner seine Schwäche bemerkt. Der flüchtige Kuss auf die Stirn und der Schuhkarton voller Schokolade vor der Haustüre, weil ich mit niemandem reden will. Das ausgeblichene Papierschiffchen in meinem Geldbeutel ist ein schlichter Gruß von ihr und das Flüstern in der Nacht ist ihr stilles Lächeln. Und manchmal, da wechselt sie die Straßenseite wenn ich gerade nicht hinschaue und dann steht sie vor mir, bis ich in sie hinein laufe. Ich laufe einfach durch sie hindurch und alles was ich bemerke ist ein leichtes kribbeln irgendwo in der Herzgegend. Wenn mein Papa verreist, dann bin ich immer ein bisschen stiller als sonst und wenn mein Bruder weint, dann wird das atmen schwer. Wenn meine Mama in ihrem Pavilion sitzt und auf ihren Leinwänden die Farben durcheinander bringt verstecke ich mich manchmal hinter der Treppe und schauen ihr einfach nur dabei zu und wenn du an mich denkst, dann pocht mein Herz ein bisschen schneller. An manchen Tagen stellt sie mir ein Bein, setzt sich neben mich und sieht zu wie ich mir selbst die Steinchen aus den Knien pule, bis sie mir stillschweigend ein paar Zeilen hinterlässt, die stärker sind als jede helfende Hand. Sie schleicht sich immer irgendwo zwischen die kleinen Augenblicke und lässt sie groß werden. Einfach groß. Ich kann mich nicht daran erinnern wie ich Fahrrad fahren gelernt habe aber an das Lachen von meinem Papa, als ich es geschafft habe. Ich weiß nicht mehr wann ich angefangen habe zu sprechen und welche Worte es waren aber ich sehe das Leuchten in den Augen meiner Mutter immer noch vor mir, wie sie mich ansieht als ich zum ersten Mal verständlich französisch plappere. Ich habe längst vergessen wie das wirklich anfing, diese Freundschaft zweier Mädchen, die sich nicht ausstehen konnten aber ich sehe mich immer noch am Bahnhof stehen, um sechs Uhr in der früh, mit einem viel zu großen Schild in den Händen und einer Apfeltasche und wie sie mich ansiehst, als sie mich entdeckt. Ich kann mich nicht daran erinnern was das letzte war, das du zu mir gesagt hast, als du das letzte Mal gegangen bist aber ich fühle immer noch deinen Atem im Nacken und diesen Blick, bevor du dich umdrehst. Das ist es. Die wirklich großen Momente, die, randvoll mit Gefühl, die sind viel zu schnell vorbei als das man sie festhalten könnte. Aber der Duft von Aprikosenkuchen ist immer ein bisschen Liebe. Und ein Traumfänger wirft mich aus der Bahn, trifft mich mit voller Wucht, rettet mich und bringt mir das Fliegen bei.
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Das ist seltsam. Ich fehle dir und ich vermisse dich. Und trotzdem ändert das nichts.


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